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transparent galerie katze 5, Berlin
5. 1. bis 10. 2. 2001

Nassgeweinte Welt
Die Bilder des Malers Georg Weise

„Ich möchte das Leiden nicht missen, wie viel verdanke ich doch in meiner Kunst dem Leiden.“ Diese Aussage des Malerkollegen Edvard Munch kann man dem eindrucksvollen Werk, das Georg Weise in den letzten 10 Jahren geschaffen hat, voranstellen. Wo es allerorten um „Lustigsein“, Beschleunigung und Medialisierung geht, die weitgehend schmerzfrei von statten zu gehen hat, lenkt Georg Weises kräftige Malerei unseren Blick und unser Gefühl auf düstere Visionen von Vergänglichkeit und Tod, auf eine Melancholie angesichts der Begrenztheit unseres Lebens, die sich seit den Anfängen der Menschheit in mythischen Zeiten nicht verändert hat.
Unzeitgemäß im besten Sinne, meist mit den klassischen Techniken der Malerei, aber auch mit Lithografien und Materialkollagen, sucht Georg Weise ganz altmodisch nach der Wahrheit in unserer Zeit. Konkret ist das für ihn Trauerarbeit über den Verlust seines Paradieses, der Zeit der frühen 90er Jahre, die Zeit der Wende, einer Stimmung des „Alles ist möglich“, nach der er sich gesellschaftlich wie privat zurücksehnt. Die Erinnerung an den Überschwang der jugendlichen Gefühle von damals gibt ihm bis heute den Impetus für sein Werk. Die Arbeit ist dabei existentiell zu einer Art Notwehr gegen die Resignation und den Verlust des Ich geworden. Wo die intensiv erlebten Grenzüberschreitungen schon mehrfach zu Katastrophen führten, bedient sich Georg Weise nun kontrolliert seines Talents, das Unterbewusste und das Unaussprechliche seiner Welt mit anderen zu teilen. Der kraftstrotzende Narzissmus früherer Tage ist einer ruhigen, konzentrierten Suche nach Bildern jenseits der eigenen Person gewichen.
An vertrauten Plätzen in Mexiko, Dambeck und in seiner Friedrichshainer Wohnung sammelt Georg Weise Kraft für die Arbeit im betonierten Kelleratelier. Dort, in der Unterwelt, verdichtet er seine Trauer. Zu den „Mondkindern“ beispielsweise, einer Serie von irrealen Figuren, die weltvergessen ihren eigenen Körper zu entdecken scheinen. Oder den – stellvertretend für weitere Reihen – gezeigten Einzelwerken wie den apokalyptischen „Teerblumen“, den sich scheinbar im Wind bewegenden „Brennnesseln“ (wo die Malerei an ihre Grenzen stieß und aus Gründen der Authentizität durch Originalpflanzen ersetzt wurde), den „Bäumen“, die es in einer Tag- und einer Nachtversion gibt, dem höllischen „Kerberos“ und den edlen „Schwänen“, aber auch dem „Wasserhahn“, einem Motiv, das eher beiläufig bei einem Friedhofsbesuch entstand.
Harmonie, Schönheit und eine sinnvolle Ordung sind die verborgenen Sehnsüchte von Georg Weise. Doch in guten Zeiten fehlt oft der Impuls zum schöpferischen Tun. So wird das alte Motiv von der Überwindung des Leidens durch die Kunst wieder fruchtbar und bietet uns die Freude, Georg Weises Melancholie zu spüren und teilnehmen zu können an seinen inneren Stimmungen, an der „nassgeweinten Welt“.

Martin A. Baier